Da ist diese Leere. Sie ist wie eine weiße Leinwand direkt vor deiner Nase. Wie ein gelähmter Künstler stehst du verzweifelt davor und hast keine Ahnung, welche Farbe du wählen sollst, wie das Bild aussehen soll, welches Material du überhaupt verwenden sollst.
Pinsel oder Bleistift, Aquarell- oder Ölfarben, blau oder grün. Keine Ahnung, völlige Leere vor dir und in dir. Langsam macht sich die Verzweiflung breit, es wird unruhig in dir. Das, was da wie eine Welle auf dich zurollt, scheint kaum auszuhalten zu sein. In dir schreit es: „Hilfe! Wie und womit soll ich das füllen?“
Das Weiß der Leinwand wird immer bedrohlicher, scheint dich zu verschlingen, ins Bodenlose hinabzuziehen. Und die Angst davor wird immer größer. Nur ja nicht dort in den Abgrund, nur ja nicht in das endlose Nichts gezogen werden, hineinfallen, verschlungen werden. Auf deiner Stirn bilden sich die ersten Schweißperlen und dennoch scheint sich keine Lösung zu zeigen. Das Nichts, das Weiß, die Endlosigkeit scheint zu siegen.
Du lässt dich fallen, gibst auf, lässt alles los, woran du dich noch fest gehalten hast. Überlässt dich der Angst und dem was sich zeigt. Du lässt dich fallen und auf dem Weg fühlst du alles, was jetzt hochkommt, lässt dich überrollen von dieser Welle der Gefühle. Es beutelt dich, wirbelt dich durch, die Luft bleibt weg und die Angst, jetzt in dieser Sekunde sterben zu müssen, zeigt sich plötzlich ganz deutlich.
Doch du lässt dich weiter fallen, tust nichts mehr, um dich wieder festzuklammern an alte Muster und Verhaltensweisen. Das Einzige was du tun kannst, ist alles zu fühlen, was sich jetzt zeigt, ohne Kompromisse, ohne Einschränkungen, ohne Bedingungen.
Bis es langsam wieder ruhig wird, die Stille sich in dir ausbreitet, die Gedanken verschwinden, die Gefühle verebben. Übrig bleibt nur das, was ist. Und du erkennst, dass du die Leere bist, immer schon warst und immer sein wirst.
Du hättest die Leere auch füllen können. Mit all den Tätigkeiten, die du sonst dafür benutzt. Arbeiten, putzen, fernsehen, telefonieren, essen, Zeitung oder Bücher lesen, einkaufen, Sex, Sport, Internet, facebook, sich verabreden und vieles mehr. Und dein Verstand ist perfekt darin, dir vorzugaukeln, wie wichtig das ist, was du da gerade tust und welch große Bedeutung es für dich haben wird. Oder wie viel Freude, Befriedigung, oder Anerkennung es dir bringen wird. Bis die Leere sich wieder zeigt und du wieder von vorne beginnst, so lange, bis du vielleicht sogar süchtig danach bist. Denn die Leere ist unersättlich, es wird dir nie gelingen.
Wenn das nicht mehr funktioniert, kann es sein, dass du zu härteren Drogen wie Alkohol oder Medikamenten greifen musst, nur um diese Leere nicht fühlen zu müssen. Dich nicht dieser Angst stellen zu müssen. Dich weiterhin zu betäuben, Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute.
So lange, bis du entscheidest, damit aufzuhören. Und der Leere Raum gibst. In dir, um dich herum. Und beginnst, diese Leere zu fühlen anstatt sie zu füllen.
In Liebe
Petra